Atomausstieg: Neue Lage erfordert neues Denken

Die Kernkraft hat Deutschland lange Jahrzehnte sicher und zuverlässig mit Energie versorgt. Jetzt soll ihre Zeit in Deutschland enden. Die MIT Schleswig-Holstein kritisiert das deutlich. Die friedliche Nutzung der Kernkraft nach einem starren Plan zu beenden, statt mit Augenmaß auf eine neue Lage zu reagieren, zeugt von wenig politischem Weitblick, und das aus zwei Gründen.

Grund 1: Das Angst-Argument ist irrational.
Als Argument gegen die fast CO2-freie Kernkraft bleibt nur das Angst-Argument: Angst, dass ausgerechnet in den sicheren deutschen Kraftwerken ein nicht beherrschbarer Unfall passieren könnte.
Deutschland ist allerdings von Kernkraftwerken umgeben: Frankreich betreibt 56 Atomreaktoren, sechs weitere sollen kommen. Belgien hat die Laufzeit von zwei Reaktoren verlängert, in den Niederlanden sollen zwei neue gebaut werden, Finnland hat fünf, Schweden will ausbauen, Polen steigt neu ein, ganz Südosteuropa setzt auf Atomkraft. Der deutsche Sonderweg – übrigens einmalig auf der Welt – sorgt also nicht für mehr Sicherheit. Der deutsche Ausstieg verändert die theoretische Gefahrenlage in Europa kein bisschen, sorgt sogar durch weniger stabile Stromnetze im wichtigsten

Industrieland eher für mehr Unsicherheit.
Forschung und Innovation sind die Schlüssel, selbst das Endlagerproblem zu lösen. Neue Technologien, die in anderen Ländern bereits erprobt werden, könnten schneller in der Lage sein, strahlenden Atommüll zu verwerten oder zu entschärfen, als das Genehmigungsverfahren für ein deutsches Endlager braucht, das wir ohnehin bauen müssen. Aber selbst wer trotzdem die Grundentscheidung gegen die Kernkraft unangetastet lassen will, gleichzeitig aber die Einhaltung von Klimazielen fordert, müsse angesichts der veränderten Lage auf den Energiemärkten seit dem russischen Angriffskrieg seine Politik neu überdenken, so Stefan Lange:

„Wirtschaftsminister Habeck hat einen Amtseid geschworen. Mit seinem sturen Festhalten am Abschalten der letzten drei funktionierender, sicherer und CO2-armer Kraftwerke missachtet er diesen Schwur, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Denn es ist selbst in der grünen Denkwelt ein Schaden für das Klima, den Arbeitsplätze schaffenden Mittelstand und die Verbraucher, wenn dreckige Kohlemeiler stattdessen angeworfen werden oder länger laufen müssen, ganz abgesehen von den Kosten eines möglichen Blackouts oder weiter steigenden Strompreisen.“

Grund 2: Wer Klimaschutz will, sollte der Wissenschaft folgen.  

Allein die letzten drei deutschen Reaktoren lieferten jährlich zuletzt 32,7 Milliarden Kilowattstunden, genug für zehn Millionen Haushalte und sparten damit bis zu 30 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr im Vergleich zur Kohlekraft. Zur Erinnerung: Selbst nach den umstrittenen Berechnungen des Umweltbundesamtes könnte ein Tempolimit jährlich höchstens sechs Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Die Grünen und die Klima-Bewegung fordern immer wieder: Folgt der Wissenschaft. Die MIT Schleswig Holstein stimmt dem ausdrücklich zu. Just an diesem Wochenende veröffentlichen 20 namhafte Wissenschaftler, darunter mehrere Nobelpreisträger und zahlreiche führende Klimaforscher einen Appell an Bundeskanzler Scholz. Sie fordern im Interesse der Bürger Deutschlands, Europas und weltweit den Weiterbetrieb der sicheren Atomanlagen in Deutschland. Das grün geführte Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck und seinem Vordenker, Staatssekretär Graichen, sollte sich dringend am Rat der Wissenschaftler von heute orientieren und sich von der Ideologie getriebenen Planwirtschaft in der Energiepolitik abwenden. Es ist die klima-, welt- und wirtschaftspolitische Lage Deutschlands des Jahres 2023 zu bewerten, nicht die von 2011 kurz nach einem Tsunami in Fukushima.

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